Die Königin aber, nachdem sie Schneewittchens Lunge und Leber glaubte gegessen zu haben, dachte nicht anders, als dass sie wieder die Allerschönste wäre, trat vor ihren Spiegel und sprach:

        »Spieglein, Spieglein an der Wand,
        wer ist die Schönste im ganzen Land?«

Da antwortete der Spiegel:

        »Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier,
        aber Schneewittchen
        über den Bergen
        bei den sieben Zwergen
        ist noch tausendmal schöner als Ihr.«

Da erschrak sie; denn sie wusste, dass der Spiegel keine Unwahrheit sprach, und merkte, dass der Jäger sie betrogen hatte und Schneewittchen noch am Leben war. »Schneewittchen soll sterben«, rief sie zornig, »und wenn es mein eigenes Leben kostet!« Darauf ging sie in eine verborgene einsame Kammer und machte einen giftigen, giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit roten Backen, dass jeder, der ihn erblickte, Lust danach bekam. Aber wer ein Stückchen davon aß, der musste sterben.

Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht und verkleidete sich als eine Bauersfrau. Und so ging sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Am Haus der Zwerge klopfte sie an, Schneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: »Ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben es mir verboten.« – »Mir auch recht«, antwortete die Bäuerin, »meine Äpfel will ich schon loswerden. Aber da, einen will ich dir schenken.« Schneewittchen lüstete es nach dem schönen rotbackigen Apfel, und es konnte nicht länger widerstehen. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so tat das Gift seine Wirkung, und Schneewittchen fiel tot zur Erde.

Als die böse Königin abends daheim ihren Spiegel befragte:

        »Spieglein, Spieglein an der Wand,
        wer ist die Schönste im ganzen Land?«

so antwortete er endlich:

        »Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land.«

Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe.

 

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